Wie erkennt man ein Impfreaktion richtig!

Am Beispiel der Deutschen Pinscher:

Impfreaktion beim Hund richtig erkennen und richtig behandeln. Wie erkennt man die Symptomatik, die in der Regel nicht mehr mit einer Impfreaktion in Verbindung gebracht wird, auch nach längerer Latenzzeit noch als Impfreaktion?

Impfreaktion richtig erkennen:

Schutzimpfungen von Welpen und erwachsenen Hunden gehören zur Routinetätigkeit in der tierärztlichen Praxis. Sie sollen die Tiere vor lebensbedrohlichen bakteriellen und viralen Erkrankungen schützen, die ansonsten zu schwerwiegenden Schädigungen oder mitunter zum Tod des Hundes führen können. Doch was tun, wenn die Impfung selbst zur Gefahr wird? Laut Statistik tritt eine Impfreaktion bei ungefähr 38 von 10.000 immunisierter Hunde auf, wobei das Risiko für derartige Nebenwirkungen mit abnehmendem Körpergewicht steigt (1). Die Nebenwirkungen zeigen häufig einen milden Verlauf wie Schlappheit, Appetitlosigkeit oder Fieber und verschwinden im Großteil aller Fälle ohne Behandlung. Seltener zu finden sind Symptome wie Juckreiz, Erbrechen und Durchfall, Schwellungen, Entzündungen und Schmerzen an der Impfstelle sowie ein anaphylaktischer Schock der mitunter zum Tod des Hundes führen kann. Eine Impfreaktion tritt in der Regel innerhalb weniger Stunden, aber meist innerhalb der ersten 3 Tage nach der Impfung auf (2).

Vakzin-induzierte neurologische Erkrankungen wie post-vakzinale Encephalitis oder Encephalomyelitis werden fallweise beim Einsatz von MLV-Impfstoffen (modifizierte Lebendvakzine) gegen Staupe oder Tollwut beobachtet (2). Oft kann der Impfvirus, der die Erkrankung auslöst, im Patienten nachgewiesen werden (3). Polyvalente MLV-Impfstoffe führen zu einer stärkeren Antigen-Challenge und sollen somit eine wirksamere und nachhaltigere Immunantwort auslösen.

Impfung und Reaktionen bei Welpen

Abb. 1: Deutsche Pinscher Welpen zeigen im Zuge der Grundimmunisierung eine erhöhte Disposition für Impfreaktionen

Abb. 2: Nebenwirkungen auf Nachfolgeimpfungen konnten bei ausgewachsenen Pinschern nicht beobachtet werden.

Disposition

Bestimmte Hunderassen scheinen eine erhöhte Disposition  für eine Impfreaktion zu besitzen. Ein Beispiel dafür ist offensichtlich die Rasse der Deutschen Pinscher, bei denen eine auffallend hohe Anzahl von post-vakzinalen Komplikationen beobachtet wurde. Es ist nicht auszuschließen, dass auch andere Hunderassen mit dieser Problematik konfrontiert sind. Zahlen aus einer Umfrage der Mitglieder des finnischen Schnauzer-Pinscher-Clubs ergaben, dass 20 bis 30 Prozent der geimpften Hunde neurologische Symptome zeigten. Da keine Meldepflicht für eine auftretende Impfreaktion besteht sind nur wenige Zahlen bei den öffentlichen Behörden bekannt und dokumentiert. Es kann schwer abgeschätzt werden, wie hoch die Dunkelziffer tatsächlich liegt und viele der Berichtsfälle ergeben sich aus gesammelten Beobachtungen und Erfahrungen von Tierärzten, Züchtern und Hundebesitzern (4). Dementsprechend liegen auch keine Zahlen aus Österreich vor. Berichte dazu gibt es allerdings zusätzlich aus Deutschland, Schweden und England. So konnten in Deutschland vom Paul-Ehrlich Institut 8 dokumentierte Fälle einer Impfreaktion bei Deutschen Pinschern recherchiert werden (Tabelle 1). Unabhängig vom Geschlecht zeigten die Welpen typischerweise 7 bis 14 Tage nach der ersten Impfung mit SHP-Komponenten im Alter von 8 Wochen beginnende klinische Symptome (5), was Anlass zu der Vermutung gibt, dass es sich um eine verspätete Immunreaktion handelt. Aufgrund der unerwartet langen Latenzzeit zwischen Impfung und ersten Symptomen wird diese vielfach nicht mehr als ursächlicher Auslöser in Erwägung gezogen.

Symptome

Neun bis 12 Tage nach Verabreichung von Kombinationsimpfstoffen mit SHP-Komponenten zeigen die Hunde erste Symptome wie Müdigkeit, Fieber, Husten, Speicheln und Schluckbeschwerden, sowie Fressunlust, fallweises Erbrechen, Apathie und Schwäche in den Hinterläufen. Diese primären Symptome zeigen sich 1 bis 2 Tage vor einer Manifestation zentralnervöser Koordinationsstörungen wie Tremor, Ataxie unterschiedlichen Schweregrades sowie epilepsieartigen Krampfanfällen (4,6). Aufgrund des verzögerten Auftretens der Symptome, werden sie häufig nicht mehr mit der Impfung in Verbindung gebracht. Der epilepsieähnliche Verlauf der Erkrankung verleitet dementsprechend zu einer Diagnose in Richtung Epilepsie. Die Behandlung mit Epilepsiemedikamenten eines einzelnen Deutschen Pinscher Welpen mit einer spezifischen Impfreaktion blieb aber ohne Erfolg und endete mit dem Tod des Tieres (persönliche Kommunikation). Die Reaktionen wurden bei allen bekannten Fällen bei Welpen nach der ersten Impfung mit einer Staupe-Komponente im Alter von etwa 8 bis 12 Wochen beobachtet. Zusammenhänge zwischen Impftyp/Impfstoff und dem Auftreten einer Impfreaktion bzw. der Schwere der Nebenwirkungen konnten nicht festgestellt werden. Die Wahl eines früheren (Alter von 8 Wochen in Deutschland) oder späteren Zeitpunkts der Impfung (Alter von 12 Wochen in Finnland) stand in keiner Korrelation mit der Entwicklung von Nebenwirkungen. Nachfolgende Booster-Impfungen führten zu keinen weiteren Nebeneffekten (4).

Impfreaktionen Darstellung dokumentierter Fälle

Tabelle1: Darstellung dokumentierter Fälle von Impfreaktionen bei Deutschen Pinscher Welpen; adaptiert nach [5]

Behandlung

Der nachfolgend dargestellte Therapieplan gilt für eine Impfreaktion bei Deutschen Pinschern und wurde vom Tierspital der Veterinärmedizinischen Universität Zürich vorgeschlagen. Er wird in Deutschland bisher sehr erfolgreich eingesetzt. In Berichten über 6 Fällen spezifischer Impfreaktionen bei Deutschen Pinscher Welpen, die von den Veterinärmedizinern als solche diagnostiziert wurden, erfolgte eine Therapie mit Kortikosteroiden (Prednisolon 2 mg/kg Körpergewicht, injiziert), Antibiotika (Synulox für Welpen, 1 ml 2 x täglich) sowie Vitamin B. Die Dosis der verabreichten Medikamente wurde an den nachfolgenden Tagen nach Ermessen des Tierarztes angepasst. In 9 weiteren Fällen erfolgte lediglich eine Behandlung mit Kortikosteroiden. Alle 15 Welpen erholten sich durch die rechtzeitig eingeleiteten Therapien innerhalb weniger Tage (persönliche Kommunikation). Von den gleichen Therapieerfolgen, basierend auf der Gabe von Kortikosteroiden sowie Antibiotika und Vitamin B, berichteten auch finnische Veterinärmediziner. Im Fall von bereits eingetretenen Krampfanfällen erfolgte die Gabe von Diazepam und Phenobarbital. Bei Hunden mit sehr schwerwiegenden Krampfanfällen wurden Sedativa verabreicht. (4,5,6).

Abgrenzung zum MDR1-Defekt

Wichtig ist die Abgrenzung zur Medikamentenunverträglichkeit (Multi-Drug-Resistance bzw. kurz MDR1), da hier auch Symptome wie Erbrechen, Bewegungsstörungen, Krämpfe oder Koma vorkommen können. Der genetische Defekt wird auch als Ivermectin-Unverträglichkeit bezeichnet. Das Gen MDR1 codiert einen speziellen Proteintransporter, der im Organismus zahlreiche Arzneistoffe transportiert und für deren Ausscheidung verantwortlich ist. Dieses Protein verhindert, dass Substanzen wie beispielsweise Ivermectin, die Blut-Hirnschranke passieren und ins Nervengewebe eindringen können. Das heißt, es kommt zu einem vermehrten Übertritt der jeweiligen Arzneistoffe in das zentrale Nervensystem. Es kommt also bei der Anwendung von Medikamenten die die Arzneistoffe wie zum Beispiel: Ivermectin, Doramectin, Moxidectin oder Loperamid beinhalten zu gravierende Vergiftungen. Diese führen leider in vielen Fällen bis zum Tod des betroffenen Tieres. Daher ist eine Diagnose mittels Gentest die einzige Möglichkeit, hier einem möglichen Tod vorzubeugen. Der Gendefekt verursacht also bei den davon betroffenen Hunden (MDR1 -/-) nach derzeitigem Stand der Wissenschaft eine Unverträglichkeit gegen oben genannte Arzneiwirkstoffen und Präparaten. Außerdem liegen bereits erste Forschungsergebnisse bezüglich Cortisol-Mangel bei den MDR1 Defekt betroffenen Hunden vor.

Das Gehirn wird so vor möglicherweise schädlichen Medikamenten oder Fremdstoffen geschützt. Der p-Glykoprotein Transporter ist im außerdem im Dünndarm, Dickdarm, der Leber, Niere und der Plazenta zu finden. Hunde die keinen funktionsfähigen Transporter aufgrund eines genetischen Defektes besitzen, können massive Nebenwirkungen auf verschiedenste Arzneimittel oder Wirkstoffe entwickeln.

Schwerwiegendste Reaktionen können nach Gabe von antiparasitären Substanzen (Ivermectin, Milbemycin, Doramectin, Moxidectin und verwandten Medikamenten), dem Antidiarrhoikum Loperamid (Imodium) und zahlreichen Medikamenten zur Behandlung von Krebs (Vincristin, Doxorubicin etc.) auftreten und bis zum Tod des Hundes führen.

Es ist daher wichtig bei Verdacht auf Impfreaktionen auch an eine Medikamentenunverträglichkeit zu denken bzw. diese auszuschließen. Die Testung Ihres Hundes ist die einzige Möglichkeit, Gewissheit zu bekommen ob ein Defekt vorliegt, da die Hunde ohne reizauslösende Medikamente völlig gesund erscheinen.

Labor:

Moderne DNA-Analyse bei der suche nach Impfreaktionen

Abb. 4: Mit modernen DNA-Analysen können im Labor die DLA-Gene von Hunden mit Impfreaktionen untersucht werden.

Die Sektion eines dreimonatigen Deutschen Pinschers aus Schweden zeigte eine perivasculäre Ansammlung von mononukleären Entzündungszellen in Gehirn und Rückenmark. Obwohl die Symptome auf eine Virusinfektion hindeuteten, blieben immunhistochemische Untersuchungen auf das Staupe-Virus negativ. Auch in diesem Fall traten die ersten Symptome 9 Tage nach Immunisierung unter anderem gegen Staupe auf. Laboruntersuchungen von 8 weiteren betroffenen Pinschern zeigten ein ähnliches Bild (Tabelle 1). Ein Staupe-Virusnachweis 16 Tage p. vacc. mittels Zellkultur und PCR-Nachweis war bei 3 Welpen des gleichen Wurfes negativ. Auch immunhistochemische Staupe-Virusnachweise zweier Geschwister eines anderen Wurfes 18 Tage p. vacc. fielen negativ aus. Die Liquoruntersuchung bei einem weiteren Welpen eines dritten unabhängigen Wurfes zeigte 15 Tage p. vacc. einen erhöhten Protein- und Zellgehalt, was auf einen entzündlichen Prozess mit infektiöser Ursache zurückzuführen sein dürfte (5).

Pathogenese/Ätiologie

Derzeit ist die genaue Pathogenese und Ätiologie der Erkrankung nicht bekannt. Es scheint aber bestimmte Hunderassen zu geben, die eine erhöhte Anfälligkeit für das Auftreten einer Impfreaktion aufweisen, so auch die Rasse der Deutschen Pinscher. Aufgrund der kleinen Zuchtpopulation dieser Rasse und des erhöhten Inzuchtgrades scheint es naheliegend, dass eine genetische Komponente als Auslöser für die unerwartet heftigen Reaktionen der Hunde auf eine Staupe-Impfung eine Rolle spielt. Eine weitere Beobachtung, die dieses Argument bestärkt, ist dass Hunde die bereits selbst eine Impfreaktion zeigten, häufiger Welpen mit Symptomen produzieren, verglichen mit Hunden ohne Impfreaktion in der Anamnese (4). Oft zeigen auch Geschwister innerhalb eines Wurfes vermehrt post-vakzinale Reaktionen. So gab es drei Würfe in denen zwei bzw. drei der Welpen von einer Impfreaktion betroffen waren (Tabelle 1) (5). Der Mechanismus, wie diese Impfreaktion an Nachfolgegenerationen vererbt werden, ist zurzeit noch nicht geklärt. Nichtsdestoweniger ist davon abzuraten, Hunde die bereits selbst eine Impfreaktion zeigten, in der Zucht einzusetzen.

DLA - Profile zum erkennen von Impfreaktionen

Abb. 3: Anhand einfacher Munschleimhautabstriche wird ein DNA-Profil der Hunde erstellt.

Bisher konnte auch nicht geklärt werden ob es sich bei einer Impfreaktion um eine allergische Reaktion auf das verabreichte Antigen oder andere Inhaltsstoffe des Impfstoffes handelt. Bei der Immunisierung wurden in den meisten Fällen Kombinationsimpfstoffe verabreicht, sodass nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann, dass eine Reaktion auf andere Komponenten gegeben ist. In wieweit eine post-vakzinale Encephalitis als Ursache in Betracht gezogen werden kann, ist ungeklärt. Generell liegen leider zu wenige Laboruntersuchungen vor, die entsprechende Schlussfolgerungen zulassen würden.

Anhand labortechnischer DLA-Typisierung von betroffenen Hunden versuchen wir mögliche erste Hinweise für die Grundlage der Entstehung einer Impfreaktion zu bekommen. DLA-Gene sind einerseits ein wichtiger Teil der Immunabwehr, andererseits stehen sie auch in Assoziationen mit verschiedenen Autoimmunerkrankungen von Hunden bei verschiedenen Rassen. Eine Typisierung ist ganz einfach mittels Mundschleimhautabstrich durchzuführen.

Wir haben dazu auch bereits eine Studie veröffentlicht, die wir in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Retriever Club durchgeführt haben. Mehr zu dieser Studie sowie die Ergebnisse finden Sie unter DLA-Haplotypenstudie.

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Veröffentlichung unter Nennung der Quellen bis auf Widerruf gestattet:

Autorin: Mag. Dr. rer. nat. Anja Geretschläger, Molekularbiologin & Genetikerin, Gründerin und CEO von FERAGEN GmbH.
Web: https://feragen.at/gesundheitsecke/impfreaktion/
Im Original erschienen im: Vet Journal der österreichischen Tierärztekammer, Ausgabe September 2014 / 67 Jahrgang

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Literatur:

(1) Moore GE, Gutpill FF et al. (2005): Adverse events diagnosed within three days of vaccine administration in dogs. J Am Vet Med Assoc 227:1102-1108
(2) Dodds WJ (2001): Vaccination protocols for dogs predisposed to vaccine reactions. J Am Vet Med Assoc 37:211-214
(3) Moore GE, HogenEsch H (2010): Adverse Vaccinal Events in Dogs and Cats. Vet Clin Small Anim 40: 393-407
(4) Leppänen M (2005): Post-vaccinal reactions in German Pinschers – preliminary report
(5) Cußler K, Schwedinger E (2012): Nebenwirkungen nach Impfungen von Deutschen Pinschern. Deutsches Tierärzteblatt 12: 1715-1716
(6) Protokoll der 12. PI-Zuchtertagung 2007

Im Original erschienen im: Vet Journal der Österreichischen Tierärztekammer, Ausgabe September 2014 / 67 Jahrgang
Autorin: Mag. Dr. rer. nat. Anja Geretschläger, Molekularbiologin & Genetikerin, Gründerin und CEO von FERAGEN GmbH.